EU-Sanierungspflicht für Wohngebäude: Zwischen Energieeffizienz und Immobilienmarkt

Bei der EU-Sanierungspflicht für Wohngebäude geht es im Kern um Energieeffizienz. Seit ihrer Einführung sorgt diese Thematik für zahlreiche Fragen verunsicherter Immobilienbesitzer: Was sind die Mindeststandards? Wie und bis wann müssen diese gegebenenfalls durch Sanierung verbessert werden? Kann mich eine Zwangssanierung treffen? Wie sieht es mit Kosten und Fördergeldern aus? Welche Ausnahmen gibt es? Die Sanierungspflicht für Wohngebäude ist Teil der Bemühungen der Europäischen Union, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu sein. Entscheidend dazu beitragen soll die Maßnahme, die derzeit als „Sanierungspflicht“ oder gar „Zwangssanierung“ für reichlich Aufregung sorgt. Laut EU-Kommission sind nämlich Gebäude für rund 40 Prozent des Energieverbrauchs und 30 Prozent des CO2-Ausstoßes in der EU verantwortlich. Am 14. März 2023 wurde deshalb im Europaparlament über die Sanierungspflicht von Gebäuden mit besonders schlechter Energiebilanz abgestimmt. Mit diesem Votum hat das europäische Parlament einen Entwurf und Richtlinien zur künftigen Sanierungspflicht von Gebäuden angenommen. Dabei handelt es sich noch nicht um eine endgültige Entscheidung, denn zunächst folgen weitere Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten. Entsprechende Gesetze werden aber zeitnah kommen, also heißt es für Immobilienbesitzer: Detailwissen und gute Vorbereitung sparen Geld und Nerven. Die EU hat Zeitrahmen und Fristen für die EU-weite Sanierungspflicht festgelegt. Mit folgenden Etappenzielen sollen alle Gebäude bis 2033 eine mittlere Energieeffizienzklasse erreichen. Bis 2025 wird zunächst eine EU-einheitliche Skala für Energieeffizienzklassen bei Gebäuden erstellt, während in Deutschland derzeit noch die Klassen von A+ bis H existieren, sollen es in Zukunft europaweit nur noch die Klassen A bis G sein. In Klasse G landen dann die jeweils 15 Prozent der Gebäude jedes EU-Staates, die energetisch am schlechtesten sind. Bis 2028 sollen private Neubauten emissionsfrei sein und möglichst mit Solaranlagen ausgestattet werden. Bis 2030 müssen Wohngebäude aus den Klassen H, G und F durch energetische Sanierungen mindestens die Klasse E erreichen. Bis 2033 sollen alle Wohngebäude in der EU auf Energieeffizienzklasse D gebracht sein. Rund zwei Drittel aller Wohngebäude in Deutschland wurden nach Auskunft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vor den 1980er Jahren erbaut. Wiederum zwei Drittel dieses Altbestandes sind den drei schlechtesten Energieklassen F bis H zuzuordnen. Dies zeigen Zahlen von McMakler. Zudem belegt eine Auswertung der über McMakler vermarkteten Wohnhäuser aus dem dritten Quartal 2021: Lediglich 13 Prozent der vermakelten Objekte fielen in die besten Energieklassen A+, A oder B. Die neue EU-Sanierungspflicht für Immobilien wird wohl rund 45 Prozent der Eigentümer in Deutschland treffen. Grundsätzlich gilt nach dem deutschen Gebäudeenergiegesetz (GEG) vom 1. November 2020 bereits jetzt eine Pflicht zur energetischen Sanierung beim Besitzwechsel von Immobilien. Durch das Gesetz sind die neuen Besitzer zur Durchführung bestimmter energetischer Gebäudesanierungen verpflichtet. Dazu gehören Maßnahmen wie beispielsweise die Dachdämmung oder die Isolierung von Heizungsrohren. Für neue Eigentümer gibt es eine zweijährige Schonfrist um die im GEG beschriebenen, notwendigen Sanierungen vorzunehmen. Die Frist beginnt mit dem Tag des Eigentumsübergangs. Diese Regel gilt nicht nur beim Kauf, sondern auch bei einer Erbschaft oder Schenkung – allerdings gibt es in diesen Fällen teilweise Ausnahmen. Die eben angesprochenen verpflichtenden Sanierungen nach dem deutschen GEG kommen bei Langzeit-Eigentümern nicht zum Tragen, sofern sie ihre Wohnung, ihr Ein- oder Zweifamilienhaus bereits am 1. Februar 2002 bewohnten. Auch bei Schenkung oder im Erbfall gilt der 1. Februar 2002 als Stichtag. Wohnen die so in den Immobilienbesitz Gekommenen bereits vor oder seit dem Stichtag in der entsprechenden Wohnung oder im Ein- oder Zweifamilienhaus, dann zählt dies nicht als Eigentümerwechsel. Somit entfällt auch die Sanierungspflicht. Doch aufgepasst: Bei Mehrfamilienhäusern gilt diese Ausnahme jedoch nicht. Auch beim geplanten EU-Sanierungsgesetz sind Ausnahmen vorgesehen. Das ZDF verweist hier auf Aussagen des im Europaparlament zuständigen Grünen-Abgeordnete Ciarán Cuffe. Der Parlamentarier nennt als Beispiel dafür etwa Gebäude mit einer Wohnfläche von unter 50 Quadratmetern. Auch denkmalgeschützte Gebäude, solche die religiösen Zwecken dienen oder die nur zeitweise genutzt werden, wie beispielsweise Ferienhäuser, sollen laut Cuffe von der Sanierungspflicht ausgenommen werden. Viele Eigentümer werden sich fragen, ob ihnen in Zukunft eine sogenannte Zwangssanierung drohen wird. Diese Möglichkeit könnte durchaus bestehen. Denn wie das ZDF berichtet, seien nach Schätzung von Fachleuten des Eigentümerverbands Haus & Grund mehr als sieben Millionen Eigenheime in Deutschland von der Sanierungspflicht betroffen. Hinzu kämen über 7 Millionen Wohnungen. Wer es sich leisten kann, sollte demnach bereits jetzt Rücklagen für energetische Sanierungen bilden bzw. sich über geeignete Bausparprogramme zur späteren Modernisierung informieren. In jedem Fall ist zunächst ein Blick auf den Energieausweis der Immobilie/n ratsam. Wer ein KfW-Effizienzhaus 100 mit Energieeffizienzklasse C oder besser besitzt, kann sich freuen. Auch mit Wohneigentum der Energieeffizienzklasse D bzw. dem Energieverbrauch von 100 bis 130 kWh/m² sollte man nach derzeitigem Stand der Planungen selbst über 2033 hinaus nicht zu Sanierungsmaßnahmen gezwungen sein. Was aber tun, wenn gar kein oder nur ein alter Energieausweis vorliegt? Dann sollte man sich dringend einen aktuellen Energieausweis erstellen lassen. Die Verbraucherzentrale rät dabei übrigens eher zur Vorsicht bei Schnäppchen-Energieausweisen aus dem Internet. Denn nach dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) dürfen nur Personen mit besonderer Qualifikation sowie Berufspraxis diese Zertifikate ausstellen. Immobilieneigentümer, die einen Energieausweis erstellen oder erneuern lassen wollen, holen sich in diesem Fall am besten qualifizierte, wohnortnahe Beratung aus der Energieeffizienz-Expertenliste. Auch die Online-Suchfunktion der Deutschen Energie-Agentur (dena) hilft hier weiter. Selbst wer als langjähriger Eigentümer zu den Ausnahmen im deutschen GEG gehört, sollte sich im Hinblick auf die künftigen europaweiten Vorschriften zur verpflichtenden Sanierung bereits jetzt Gedanken machen. Auf Seite 4 des Energieausweises gibt es bereits einige Empfehlungen zur energetischen Modernisierung von Gebäuden. Dabei handelt es sich um eher kostengünstige Einzelmaßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz. Bei größeren Modernisierungsprojekten sollte man jedoch die Hilfe einer Energieberaterin oder eines Energieberaters in Anspruch nehmen. Mögliche Maßnahmen zur Schritt-für-Schritt-Sanierung von Gebäuden umfassen unter anderem die Wärmedämmung von Dach, Kellerdecke oder Spitzboden, Wärmedämmung der Außenfassaden, Austausch der Fenster oder der Verglasung, Einbau einer neuen Haustür, Dämmung von Heizleitungen, Einbau von Thermostatventilen sowie die Installation von Solar- oder Lüftungsanlagen. Allein für Deutschland rechnet die Kreditanstalt für Wiederaufbau mit 254 Milliarden Euro an nötigen Investitionen, so ein Bericht der Tagesschau. Zwar werden sich Ausgaben für die energetische Sanierung von Gebäuden für Eigentümer und Mieter langfristig bezahlt machen. Doch die Unsicherheit ist derzeit groß. Mietparteien befürchten, dass Kosten auf sie umgelegt werden könnten. Viele Immobilienbesitzer haben Angst, sich mögliche Zwangssanierungen nicht leisten zu können und damit ihre Einkommensquelle bzw. Altersvorsorge ganz oder teilweise zu verlieren. Geld für erforderliche Sanierungsmaßnahmen wird es daher auch von der EU geben. Bis 2030 sollen so etwa bis zu 150 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt zur Verfügung gestellt werden. Wer diese Förderungen bekommt und welche Programme es dafür geben wird, ist derzeit allerdings noch nicht geklärt.

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